Das Nachprüfungsverfahren ist auf das vorhergehende Anerkenntnis des Versicheres abzustellen
Im Nachprüfungsverfahren ist für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit auf die Tätigkeit, die in der Leistungsanmeldung geschildert wurde und die dem Anerkenntnis zugrunde gelegt wurde, abzustellen.
Dies folgt aus einer Entscheidung des OLG München.
Was war passiert?
Der Versicherungsnehmer stellte im November 2014 einen Leistungsantrag wegen einer Anpassungsstörung und einer depressiven Episode. Im Leistungsantrag beschrieb er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in gesunden Tagen. Er machte auch Angaben zur durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit sowie zu den dort geleisteten Teiltätigkeiten. Der Versicherer trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein. Der Versicherer erkannte mit Schreiben vom 25.6.15 Leistungsansprüche des Versicherungsnehmer für die Zeit vom 1.5.13 bis zum 31.3.15 an. Leistungen darüber hinaus lehnte er ab. Ab dem 9.3.15 sei der Grad der Berufsunfähigkeit lediglich bei 20-40 Prozent.
Der Versicherungsnehmer macht mit seiner Klage Leistungen über den 31.5.15 hinaus geltend. Er begründet das damit, dass sein Gesundheitszustand sich im Vergleich zum Anerkenntnis nicht gebessert habe.
Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Versicherungsnehmer habe nicht hinreichend schlüssig dargelegt, welche berufliche Tätigkeit er zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt habe. Der Versicherer habe zulässigerweise ein Anerkenntnis mit einer Nachprüfungsentscheidung verbunden. Der Versicherungsnehmer habe jedoch im Prozess zu seiner Tätigkeit in gesunden Tagen widersprüchliche und von den Angaben im Leistungsantrag abweichende Angaben gemacht. Die Widersprüche habe er bis zuletzt angeblich nicht ausgeräumt. Damit habe er, nachdem der Versicherer seine Angaben zulässigerweise bestritten habe, seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt. Daher sei nicht feststellbar gewesen, welche Tätigkeit der VN in gesunden Tagen ausgeübt habe.
Entscheidung vom OLG München
Das OLG München hat das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben (30.11.18, 25 U 2202/17, Abruf-Nr. 206095)
Der Versicherer hat in seinem Anerkenntnis die ausgeübte Tätigkeit, ausdrücklich zugrunde gelegt. Nachdem der Versicherer in den Bedingungen eine Befristung des Anerkenntnisses ausdrücklich ausgeschlossen habe, könne er sich von seiner Leistungspflicht nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens wieder lösen. Gemäß § 174 Abs. 1 VVG sei Voraussetzung für den Eintritt der Leistungsfreiheit, dass der Versicherer feststellt, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind und er diese Veränderung dem Versichericherungsnehmer in Textform darlegt. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, den Versicherten, dessen Anspruch der VR nach § 173 VVG anerkannt hat, davor zu schützen, dass der Versicherer seine Leistungen plötzlich einstellt, weil er – zu Recht oder zu Unrecht – der Meinung ist, der Versicherte sei nicht mehr berufsunfähig. Dem Versicherten werde dadurch ein gewisser Bestandsschutz gesichert. Der Versicherer bleibe an sein Anerkenntnis so lange gebunden, bis er mit Erfolg das Verfahren nach § 174 VVG durchgeführt habe.
Im Nachprüfungsverfahrenmuss nicht (mehr) abgeklärt werden, wie die Tätigkeit konkret ausgestaltet war. Aus dem Anerkenntnis des Versicherer ergibt sich, welche konkrete Tätigkeit er seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Hierauf sei im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens abzustellen.
QUELLE: AUSGABE 02 / 2019 | SEITE 22 | ID 45651862